Wasserstoff im
CO2-neutralen Energiesystem

Wie ein CO2-neutrales Energiesystem 2050 funktioniert und welche Rolle Wasserstoff dabei spielt.

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger der Energiewende. Doch welche Rolle kann Wasserstoff im CO2-neutralen Energiesystem einnehmen? Und wie kann er zum Funktionieren des Systems beitragen? Diese Frage beantworten wir mithilfe mehrerer Fraunhofer-Energiesystemmodelle, die entwickelt wurden, um die zentralen systemischen Herausforderungen der Energiewende zu untersuchen.

Wir blicken zunächst auf Deutschland und zeigen, wie sich der Energiefluss durch das System und die Rolle der unterschiedlichen Energieträger im Zeitverlauf verändern. Anhand einer zeitlich hochaufgelösten Darstellung von Stromerzeugung und -nachfrage zeigen wir, wie die Versorgungssicherheit zu jeder Stunde des Jahres gesichert ist, auch wenn vollständig auf den Einsatz fossiler Energieträger verzichtet wird.

Die Rolle von Wasserstoff zur Transformation der Industrie wird betrachtet, bevor wir den Blick auf die europäische Perspektive weiten und zeigen, wie der europäische Handel mit Strom und Gas das Funktionieren des Systems sicherstellt.

Kapitel I: "Das Energiesystem im Zeitverlauf"

Das Energiesystem im Zeitverlauf

Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, muss das Energiesystem grundlegend umgestaltet werden. Bis 2030 sollen Treibhausgasemissionen um 65% gegenüber dem Vergleichsniveau in 1990 reduziert werden. Längerfristig ist ein klimaneutrales Energiesystem das Ziel. Diese Transformation ist herausfordernd, aber technisch möglich. Das Energiesystem muss mehr und mehr auf den Erneuerbaren Energien Wind und Photovoltaik aufbauen, die mit Wandlungs- und Speichertechnologien in das System integriert werden und mit Hilfe neuer Technologien im Verkehr, der Industrie und den Gebäuden effizient genutzt werden.

Im folgenden Kapitel liegt der Fokus auf den Energieflüssen im deutschen Energiesystem und darauf, wie diese sich auf dem Weg zur Klimaneutralität verändern.

Gesamtbilanz im Jahr 2020

Das Sankey Diagramm zeigt die Energieflüsse von der Primärenergie zur Endenergie im deutschen Energiesystem für das Jahr 2020. Auf Primärenergieseite dominieren derzeit die fossilen Energieträger Kohle, Erdgas und Erdöl. In der Strombereitstellung spielen neben Erneuerbaren Energien konventionelle Kraftwerke unter Nutzung von Erdgas und Kohle noch eine wichtige Rolle.

Auf Endenergieseite wird im Gebäude- und Industriesektor vor allem Erdgas in Gaskesseln zur Bereitstellung von Raum- und Prozesswärme genutzt, während der Verkehr zu einem Großteil auf Erdöl basiert. Biomasse wird verstromt und fließt als Endenergie in Gebäude und Industrie. Wasserstoff und CO₂-neutrale synthetische Kraftstoffe spielen noch keine Rolle. Dargestellt sind Ergebnisse für eine Simulation ohne Berücksichtigung des Corona-Effekts.

Gesamtbilanz im Jahr 2030

Im Jahr 2030 müssen die CO2-Emissionen laut Klimaschutzgesetz gegenüber 1990 bereits um 65% gemindert werden. Dazu müssen die Primärenergiemengen von Kohle, Erdgas und Erdöl stark reduziert werden. Es wird deutlich, wie Erneuerbare Energien größere Anteile auf der Primärenergieseite gewinnen.

Hierbei sind vor allem die Photovoltaik und Windenergie sowie die Nutzung der Umweltwärme in Wärmepumpen von großer Relevanz. Auch die ca. 300 TWh Biomasse leisten einen wichtigen Beitrag in allen Endenergiesektoren, insbesondere in Gebäuden, aber auch als Biogas in unterschiedlichem Einsatz.

Ab 2030 wird die Produktion und Nutzung von Wasserstoff und synthetischen Energieträgern hochgefahren. Auf der Endenergieseite zeigt sich der Beginn einer stärkeren Elektrifizierung im Gebäude- und im Verkehrssektor.

Gesamtbilanz im Jahr 2040

Im Jahr 2040 stellt die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien die Basis des Energiesystems dar. Die Importe von synthetischen Energieträgern nähern sich der Menge aus Erdöl und Erdgas, allerdings bleiben die konventionellen Energieträger für die Sektoren Verkehr, Industrie und Fernwärme noch ein wichtiger Bestandteil.

Der hier hervorgehobene CO2-neutrale Wasserstoff wird zunehmend wichtiger. Er wird im Ausland (Import) oder Inland (Power-to-H2) aus erneuerbarem Strom in Elektrolyseuren hergestellt und findet vor allem in der Industrie Anwendung. Stromspeicher sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil zum Ausgleich fluktuierender Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Die Stromerzeugung aus konventionellen Kraftwerken reduziert sich auf die Fernwärme und Backup-Kraftwerke mit sehr geringen Betriebsstunden bzw. sehr geringer Stromproduktion.

Gesamtbilanz im Jahr 2050

Im Jahr 2050 werden die fossilen Energieträger Kohle, Erdgas und Erdöl im deutschen Energiesystem nicht mehr verwendet. Das Energiesystem ist nun zu 100% CO2-neutral und beruht maßgeblich auf Erneuerbaren Energien in Deutschland. Viele Energieanwendungen, die heute noch mit Erdöl und Erdgas betrieben werden, wurden elektrifiziert, um Erneuerbare Energien effizient zu nutzen.

Zusätzlich werden als CO2-neutrale Energieträger Wasserstoff, synthetisches Methan und synthetische flüssige Kraftstoffe eingesetzt. Synthetisches Methan und flüssige Kraftstoffe werden zu einem Großteil importiert und zu einem kleinen Teil heimisch hergestellt (Power to CH4 und Power to Fuel) und finden vor allem im Schwerlastverkehr und im Flugverkehr Anwendung.

Ein Drittel der Wasserstofferzeugung kommt aus Deutschland basierend auf erneuerbarem Strom. Der Rest wird importiert. Biogas wird für die Erzeugung von Fernwärme, in Backup-Kraftwerken und für die Bereitstellung von Raumwärme genutzt.

Erkunden Sie selbst die Energiebilanzen im Jahresverlauf bis 2050. Sie können einzelne Technologien anwählen, oder über den Schieberegler die Jahresscheiben verstellen.

Energieflüsse im Energiesystem Deutschlands von der Erzeugung zur Nachfrage

Erneuerbar

Biomasse

Kohle

Uran

Gas

Wärme

Strom

Wasserstoff

Flüssige

Synthetisch

Verluste

↓ Energiebereitstellung
Energienachfrage ↓
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2020202520302035204020452050

Kapitel II: "Versorgungssicherheit im CO2-neutralen System"

Der Energiemix einer exemplarischen Woche zeigt die Versorgungssicherheit

Ein CO2-neutrales Energiesystem bis zum Jahr 2045 oder 2050 ist ein ehrgeiziges, aber realistisches Ziel. Unsere Systemmodellierung zeigt, dass es funktionsfähig ist, da die Versorgungssicherheit jederzeit gewährleistet ist und da die Nachfrage an Energie zu jeder Stunde des Jahres gedeckt werden kann.

Dabei kann vollständig auf den Einsatz fossiler Kraftwerke verzichtet werden, sodass keine Verbrennung von Öl, Kohle oder Erdgas mehr erfolgt.

Das folgende Kapitel zeigt den Energiemix einer exemplarischen Woche im Jahr 2050 auf Basis von Modellberechnungen.

Kapitel III: "CO2-neutrale Industrie"

Wasserstoff kann eine Schlüsselrolle in der CO2-neutralen Industrieproduktion spielen

Während aus fossilem Erdgas gewonnener Wasserstoff heute nur in einzelnen Anwendungen wie der Herstellung von Ammoniak eingesetzt wird, kann grüner Wasserstoff eine Schlüsselrolle für die Dekarbonisierung des Industriesektors spielen.

Dabei zeichnen sich derzeit die folgenden Einsatzbereiche ab:

  1. Einsatz als Reduktionsmittel und Energieträger für die Herstellung von Stahl
  2. Einsatz als Rohstoff für die chemische Industrie zur Herstellung von Ammoniak oder Olefinen und Aromaten
  3. Einsatz als Energieträger für die Bereitstellung von Prozesswärme in vielen Industriebranchen

In welchen Mengen wird der Wasserstoff benötigt? Und wo entsteht die Nachfrage?

Diese Fragen sind essentiell für das zukünftige CO2-neutrale Energiesystem und werden im Folgenden anhand von Modellergebnissen beantwortet.

Kapitel IV: "Europäische Vernetzung"

Die europäische Perspektive

Große Flexibilität für das europäische Energiesystem entsteht unter anderem durch den Ausbau von Übertragungskapazitäten im Stromnetz und im Gasnetz.

Elektrische Übertragungsnetzkapazitäten zwischen europäischen Ländern können Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage im Stromsektor ausgleichen, während ein europäisches Gasnetz die Versorgung von Industriestandorten und Wasserstoff-Kraftwerken sicherstellt, welche in Zeiten geringer Einspeisung durch Wind und PV die Versorgungssicherheit garantieren.

Kapitel V: Fazit

Das CO2-neutrale Energiesystem funktioniert – und Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag leisten

Die Systemanalyse und die berechneten Szenarien haben gezeigt: Der beschleunigte Ausbau von Erneuerbaren Energien, die Flexibilisierung der Stromnachfrage, der Einsatz von Wasserstoff im Industriesektor sowie die europäische Vernetzung sind wesentliche Bausteine eines effizienten und CO2-neutralen Energiesystems.

Gleichzeitig zeigen die dargestellten Szenarien lediglich eine Auswahl der möglichen Entwicklungen und sind nicht als Vorhersage zu interpretieren.

Zur Vertiefung der Themen

Über die obigen Reiter können Sie in die einzelnen Kapitel zurückspringen und die interaktiven Diagramme erkunden.

Zur Vertiefung der Themen wird auf folgende Studien der beteiligten CINES Institute verwiesen. Hier sind umfassende Auswertungen verfügbar.

▸ Ariadne: Wege zur Klimaneutralität Damit die Politik zur Energiewende zielführend gestaltet werden kann, untersucht Ariadne Optionen mit Systemperspektive. Ariadne verzahnt den detaillierten Blick auf den Industriesektor, den Gebäude- und Verkehrsbereich sowie den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung mit dem Gesamtblick auf das Energiesystem.

▸ Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland Die Modellierung der Szenarien umfasst das gesamte Energiesystem, also übergreifend die Erzeugung von Strom, Wärme und Wasserstoff sowie die Nachfrage nach Energie in den Sektoren Industrie, Verkehr, Gebäude und Geräte und Energieinfrastrukturen für Strom, Wasserstoff, Gas und Wärme.

▸ Wege zu einem Klimaneutralen Energiesystem untersucht Entwicklungspfade des deutschen Energiesystems, die zu einer Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen zwischen 95 und 100 Prozent bis 2050 und 2045 führen.

▸ Transformationspfade im Wärmesektor Ökonomische Analysen eines Transformationspfades des Gesamtenergiesystems in Deutschland mit dem Schwerpunkt der Wärmeversorgung.

Kontakt

Kontakt:

Tobias Fleiter, cines@zv.fraunhofer.de

Projektteam:

Tobias Fleiter, Richard Schmitz, Charlotte Senkpiel, Markus Haun, Julian Brandes, Marijke Welisch, Christoph Kost, Norman Gerhardt, Marius Neuwirth, Pia Manz, Benjamin Pfluger